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Beschwerden erwünscht

Nörgelnde und unzufriedene Kunden nerven. Was tun? Ignorieren hilft nicht.
Die Reisebürokette BCD Travel geht offensiv mit diesem Problem um. Sie steuert die Kommunikation mit einem elektronischen Beschwerdemanagementsystem.

Beschwerden erwünscht Nörgelnde und unzufriedene Kunden nerven. Was tun? Ignorieren hilft nicht. Die Reisebürokette BCD Travel geht offensiv mit diesem Problem um. Sie steuert die Kommunikation mit einem elektronischen Beschwerdemanagementsystem. Text _ Harry Weiland Auf einer Geschäftsreise kann viel schiefgehen: Die Fluggesellschaft entschuldigt sich nicht für eine Verspätung, das Hotel akzeptiert keine Kreditkarten und der Mietwagen hat keine Klimaanlage. Geschäftsreisen zählen zu den beschwerdeintensiven Produkten. Holpriger Service wirkt sich hier schnell auf die Kundenzufriedenheit aus. Bei einer Reise kommt es auf ein gutes Zusammenspiel der unterschiedlichen Dienstleister an. Jeder Kunde glaubt, sich im Reisegeschäft auszukennen. Meckern ist hier besonders beliebt. Viele Reisebüroketten haben sich darauf Ein elektronischer Workflow erleichtert die Kommunikation mit unzufriedenen Kunden eingestellt und verstehen es als Bestandteil ihrer Kundenkommunikation, Beschwerden und Reklamationen ihrer Klienten aufzunehmen, zu bearbeiten und weiterzuleiten. Auch wenn sich die Käufer auf Produkte beziehen, die vom Reisebüro lediglich vermittelt wurden und deren Qualität jenseits ihres Einflussbereichs liegt. Kein Reisevermittler kann beispielsweise etwas dafür, wenn während eines Langstreckenflugs die Anschlussverbindung im Zielland nicht erreicht wird. Aber als Händler fühlen sich die Reisebüros ihren Kunden verpflichtet.

In der Kommunikation mit reklamierenden Kunden setzt die Reisebürokette BCD Travel in Bremen, die vormals Hapag-Lloyd-Reisebüro hieß und der TUI gehörte, seit Jahren auf Software-Unterstützung. Bis Anfang dieses Jahres verwendete man »Mea Culpa«. eine lokale Anwendung, die nur in den jeweiligen Büros lief und dort beim Bearbeiten von Reklamationen half. Die Software ist etwa für die BCD-Kunden DaimlerChrysler und Deutsche Telekom europaweit im Einsatz. Nachteil dieser Lösung: Die Beschwerden werden nirgendwo zentral gesammelt und ausgewertet - es können nur sehr umständlich Lehren aus den Daten gezogen werden.

»Mea Culpa online«

Seit Ende 2005 nutzt BCD Travel europaweit das Beschwerdemanagement-System der Hamburger Software-Firma Inexso. Besonderheit: BCD Travel baut damit keine eigenen Ressourcen auf, installiert weder Hardware noch Software, sondern bezieht die Beschwerdemanagementanwendung nach dem ASP-Prinzip via Internet. Das System wurde von BCD »Mea Culpa online« getauft und ist von jedem Internet-Zugang aus erreichbar, kann also schnell und problemlos von den 300 BCD-Agenturen in Deutschland genutzt werden.

Auch die Kunden in den Großunternehmen können sich via Internet einloggen und ihrem Ärger Luft machen. »Mea Culpa online« hat den Vorteil, dass alle Reklamationen an einer Stelle gesammelt werden. Die Software basiert auf einem E-Mail-Managementsystem und hilft mit Features bei der Reklamationsbearbeitung. Es ist beispielsweise möglich. eine interne Wissensdatenbank oder automatisches Routing zu klassifizieren und zu priorisieren oder Schnittstellen zu Kundendatenbanken und Bestellsystemen aufzubauen.

Warum dieser Aufwand? BCD Travel ist qualitätszertifiziert. Da ist es aus Sicht von Martin Weißkirchen, verantwortlich für Prozess- und Qualitätsmanagement Operations Europe bei BCD Travel, eine Selbstverständlichkeit, dass Schwierigkeiten in der eigenen Organisation transparent gemacht werden. »Mea Culpa online« sammelt alle Reklamationen und Verbesserungsmöglichkeiten an einer zentralen Stelle und liefert entsprechende Reporte. BCD Travel hat in München in einem Pilotprojekt ein »Customer Care Team« installiert, in dem sich drei Reisebüroexperten ausschließlich um Beschwerden kümmern. Jeder der 2.000 BCD-Reisebüro-Mitarbeiter in Deutschland kann jedoch Beschwerden der Kunden erfassen und bearbeiten.

Kunden sind auf dem Laufenden

Und so funktioniert der Workflow: Will ein Kunde Kummer loswerden, kann er sich via E-Mail. Telefon, Fax oder Brief an seinen Reisedienstleister wenden. Dort wird der Eingang der Beschwerde quittiert, der Kunde (Jargon: »Beschwerdeführer«) bekommt eine Ticketnummer und eine E-Mail mit einem Link, der es ihm ermöglicht, via Internet den Status seiner Beschwerde einzusehen oder sie zu ergänzen. Der Kunde arbeitet im gleichen System wie der Reisebüroagent. er bekommt nur eine andere Sicht auf die Dinge_ Der Reisende sieht den Beschwerdetext und den Stand der Bearbeitung. etwa seit wann Rückfragen an den Leistungsträger unterwegs sind. Er sieht hingegen nicht die Kategorisierung und die internen Kommentare zur Beschwerde und die konkreten Inhalte der Anfragen sowie deren Antworten. »Der Kunde hat zu jeder Zeit Einblick in die Bearbeitung - das spart allen Beteiligten Kommunikationskosten, Rückfragen entfallen und der Kunde weiß, dass wir uns um sein Anliegen kümmern«, so Weißkirchen. Der BCD-Travel-Mitarbeiter empfängt die Beschwerden bereits in strukturierter und sortierter Form. Er formuliert Antworten oder leitet die Anfragen an die Leistungsträger wie Fluggesellschaften. Hotel- und Mietwagenfirmen weiter. Ein Wiedervorlage-System sorgt dafür, dass BCD-Mitarbeiter nachhaken und nachträgliche Ergänzungen einfügen können. Ist die Beschwerde erschöpfend geklärt, bekommt der Kunde seine Antwort auf dem gleichen Weg, wie er die Klage vorgebracht hat: E-Mails werden elektronisch beantwortet. Briefe werden vom System ausgedruckt, Faxe automatisch versandt.

Beschwerden über BCD Travel können schnell abgearbeitet werden, bei den externen Reiselieferanten variiert die Reaktionsgeschwindigkeit zwischen ein bis zwei Tagen oder auch sechs Wochen. Weißkirchen verspricht aber, dass BCD Travel in jedem Fall nachhakt. »Das ist Teil unserer Dienstleistung.« Das aktive Beschwerdemanagement kann den Reisebüros helfen, sich gegen den Trend des Direktvertriebs im Reisegeschäft zu wehren: Denn wer sein Ticket direkt beim Anbieter im Internet kauft, ist mit seinen Reklamationen dagegen oft auf verlorenem Posten.

Fehler sofort erkennen

Am Ende aller Beschwerdevorgänge steht ein zentrales Reporting. BCD Travel erkennt so Fehlentwicklungen in der Zusammenarbeit mit Kunden und kann gegensteuern. Die Berichte helfen den Firmenkunden, die Kooperation mit ihrem Reise-Dienstleister zu justieren. Sie sind auch für BCD Travel Gradmesser der eigenen Arbeit. Fluggesellschaften interessieren sich noch nicht für die Reporte. Das Unternehmen schickt zumindest noch keine Berichte weiter.

Text: Harry Weiland - www.acquisa.de


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